Transasiatour


Unterwegs

Indien - Teil 3


Pilger, Sadhus, Yoga

Rishikesh - der Ganges verlässt den Himalaya - Welthauptstadt des Yoga - ein Ort voller Spiritualität. Das lässt bei uns große Erwartungen aufkommen, dort wollen wir hin.

An einem Sonntagabend, zur Zeit der größten Betriebsamkeit, kommen wir an. Die Luft ist verpestet, auf den Straßen herrscht emsiges Treiben. Wir durchfahren eine Fußgängerzone und quetschen uns an ausgelassenen Indern vorbei, bis zur Brücke über den Ganges. Vollgestopft mit drängelnden Passanten, Fahrrädern, Mopeds und Dreirad-Rikschas überqueren wir sie im Schritttempo. Wir schaffen es hinüber und fragen uns dann, warum wir uns eine Unterkunft auf dieser Seite ausgesucht haben?!?

Wir haben ein verschlafenes Dorf am Fuße des Himalaya erwartet, wo wir uns in einem Yoga-Ashram erholen wollten. Tatsächlich ist Rishikesh laut und dreckig. Sadhus, Männer, die ihre Familien verlassen haben, um sich ausschließlich der Götterverehrung und Selbstfindung zu widmen und von milden Gaben leben, prägen das Straßenbild.


























Sadhus in Rishikesh bei der Essensausgabe

Es wird - neben Meditations- und Aus-der-Hand-lese-Kursen - zwar auch an jeder Ecke Yoga-Unterricht angeboten, aber wir finden nicht, was wir suchen. Die Entscheidung, tiefer in den Himalaya zu fahren, ist schnell getroffen und 160 km den Ganges aufwärts erreichen wir Uttarkashi.













































Reni überquert die Fußgänger-Brücke auf dem Rückweg, früh morgens

Wir finden einen Ashram, direkt am Ganges gelegen, sehr ruhig und mit Yoga-Halle. Auf unserem Programm der kommenden Tage steht: Yoga morgens - Yoga abends.

Die Kühle der Berge tut gut, nach der Hitze der letzten Wochen.



























Eisiges Bad im Ganges in Uttarkashi

Gaumukh und zuruck

Ein Bad im Ganges ist den Hindus heilig, befreit es doch bei bestimmten Himmelskonstellationen von Sünden und sichert eine bessere Wiedergeburt. Zudem soll jeder Hindu mindestens einmal in seinem Leben zur Quelle des Ganges gepilgert sein.

Wir finden die Vorstellung reizvoll zum Ursprung des heiligsten Flusses in Indien zu wandern, wollen schneebedeckte Berge sehen und machen uns also auf den Weg. Der letzte mit dem Fahrzeug erreichbare Ort ist Gangotri, welches bereits auf 3050 Höhenmetern liegt und zu dieser Jahreszeit recht kalt ist. Es gibt keine Elektrizität und kein fließend Wasser, wenn man vom eisigen Ganges absieht, da die Pilgersaison noch nicht offiziell begonnen hat, was am 30. April mit der Eröffnung des Tempels geschieht. Dieser ist nahe einem heiligen Stein erbaut, an dem König Bhagirathi zu Gott Shiva für einen Fluss gebetet hat, um die Hungersnot seiner Untertanen zu lindern. Shiva hat ihn erhört und so ist Gangotri der Legende nach der Ort, wo der Ganges der Erde übergeben wurde.

Von hier aus sind es 18 Kilometer Fußmarsch bis zur eigentlichen Quelle Gaumukh, was Kuhkopf bedeutet. Die einzige &Uum;bernachtungsmöglichkeit ist ein Ashram in Bhojbasa nach 14 Kilometern. Für die gesamte Pilger-Tour haben wir drei Tage geplant: Einen Tag bis zum Ashram, einen Tag, um zu Gaumukh und zurück zum Ashram zu laufen und am dritten Tag hinunter nach Gangotri.

Der Pfad führt links des Ganges, an Bergen entlang, immer im sonnigen Tal. Die wärmende Sonne und das Panorama der über 6000 Meter hohen Berge, die ihre weißen Spitzen in den strahlendblauen Himmel recken, entschädigen für die Kurzatmigkeit und die leichten Kopfschmerzen, die uns der stetige Anstieg in dieser Höhe beschert. Nach etwa der Hälfte lasten die Rucksäcke allerdings schwer auf unseren Schultern und die Beine werden immer müder. Ein ausgiebiger Stop mit Nüssen und einem erfrischenden Bad für die heißgelaufenen Füße sowie positive Gedanken, die den Körper beflügeln, machen uns wieder fit.


























Tobi überquert einen Ganges-Zulauf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 








Pause mit Nüssen

Auf den letzten Kilometern kommen uns zwei ältere indische Herren entgegen, die uns vor Erdrutschen warnen. Ein Unwetter der vergangenen Nacht hat Teile des Pfades verschüttet und weiterhin herabfallende Steine machen das Passieren gefährlich. Sie erzählen uns, dass ihr Führer auf dem Hinweg von einem Felsbrocken getroffen wurde, wobei ihn die Wucht vom Pfad stieß und er fast den Abhang hinunter gestürzt wäre. Er hatte Glück und konnte sich an Sträuchern festkrallen, selbst als ihn ein weiterer Stein traf. Sie haben es trotzdem geschafft und den Ashram erreicht. Der eine Mann lobte die Weisheit seiner Frau Malhotra, die zwar mit ihnen zusammen aufgebrochen war, aber nach einigen Kilometern nach Gangotri zurückgekehrt ist.

Wir beherzigen ihren Rat an den schwierigen Stellen nacheinander zu laufen. Einer krakselt über den verschütteten Weg, während der andere auf herabfallende Steine achtet und gegebenenfalls warnt. Langsam, aber beständig kommen wir voran und erreichen nach sechseinhalb Stunden erschöpft Bhojbasa, das im Tal, von weißen Bergen umgeben, liegt.













































Reni krakselt

In der Nachmittagssonne sitzen wir mit anderen Pilgern zusammen und wärmen uns bei einem Tee. Hier treffen wir Malhotra, 60 Jahre alt, die uns die Geschichte ihrer Wanderung erzählt: Vor zwei Tagen ist sie mit ihrem Mann und ihrem Bruder gemeinsam aufgebrochen, aber wegen mangelnder Kondition umgekehrt. So knapp vor Gaumukh gewesen zu sein und es dennoch nicht gesehen zu haben, konnte sie schwer akzeptieren. Ohne Wissen ihrer Begleiter startet sie am folgenden Tag um 12 Uhr in Gangotri mit einem Maultier erneut. Als sie den verschütteten Pfad erreichen, hilft ihr der Führer über die Stellen, verabschiedet sich dann allerdings, da es angefangen hat zu schneien und er sich um sein Maultier sorgt. Leider wird es bereits dunkel, sie hat keine Taschenlampe dabei und der Schnee fällt kräftig. Ihr wird klar, dass sie die Nacht ohne Schlafsack und Isomatte draußen verbringen muss und hält sich einigermaßen warm, indem sie auf- und abläuft. Danach kauert sie sich zusammen und macht Übungen. Am nächsten Morgen traut sie sich erst weiter als es schon wärmer ist und sie die ersten Pilger sieht. Es stellt sich heraus, dass sie etwas vom Pfad abgekommen ist, was der Grund dafül;r ist, dass sie und ihr Mann sich verpasst haben, wie sich später herausstellt. Wir sind geschockt über ihr Erlebnis und haben eine Gänsehaut während sie erzählt.

Als die Sonne untergeht wird es eiskalt, das Abendessen nehmen wir in der Küche auf Decken am Boden sitzend mit den anderen Pilgern ein. Zu essen gibt es ein leckeres und nahrhaftes Soja-Curry, allgegenwärtige Linsen, Chapati und Reis sowie einen unglaublich süßen Tee. Die Stimmung ist sehr ruhig und besinnlich.


























Abendessen auf 3800 m im Ashram

Am nächsten Morgen laufen wir die restlichen 4 Kilometer nach Gaumukh und holen bereits nach kurzer Zeit Malhotra ein, die deutlich vor uns gestartet ist. Wir verabreden uns für die Quelle, haben aber Bedenken, ob sie es schaffen wird. Es geht teilweise über felsiges Gelände und mehrere kleine Flussläufe, die zugefroren sind. An der Quelle angekommen, machen wir gemütlich Pause und genießen die Szenerie. Der Gletscher, der die Quelle speist, erinnert uns beide an Mordor aus Herr der Ringe, sieht der Eisblock mit dem eingefrorenen grauen Gesteinsstaub und teilweise eisblau leuchtend doch sehr düster aus. Wir füllen unsere Wasserflaschen mit Quellwasser auf und wandern zurück.


























Gaumukh, die Quelle des Ganges

An einem kleinen Schrein, mit Blick auf Gaumukh sehen wir Malhotra. Sie hat sich tatsächlich bis hierher vorgekämpft und lächelt versonnen beim Anblick des Gletschers. Wir sind tief beeindruckt von ihrem Durchhaltevermögen und ihrem unbezähmbaren Willen - sie ist unsere Heldin.














































Malhotra hat es geschafft!

Das Stück des Rückweges, das über besonders unwegsames Gelände führt, meistern wir gemeinsam, danach gehen wir zum Ashram voraus.

Wir haben schon Mittag gegessen als sie erschöpft eintrifft. Insofern sind wir völlig perplex, als sie uns eröffnet, sie laufe noch am selben Tag zurück nach Gangotri. Da es bereits halb drei ist und es wieder angefangen hat zu schneien, versuchen wir sie abzuhalten. Zwecklos. Sie muss nur etwa zwei Kilometer über die verschütteten Passagen laufen, argumentiert sie, danach warte ein Maultier. Wir wünschen ihr alles Gute, als sie dann abmarschiert und hoffen, dass sie das Maultier vorfindet - ohne hätte sie keine Chance...

Nach einer weiteren Nacht in eisiger Höhe machen wir uns an den Abstieg. Arbeiter haben die Erdrutsche beseitigt und der Pfad ist recht gut. An unserer Lieblingsstelle, wo der Ganges durch ein Wäldchen fließt und eine Brücke überquert werden muss, planen wir eine Pause.

Wir trauen unseren Augen nicht, als wir sie auf der Brücke erblicken. Malhotra sollte doch schon längst in Gangotri sein! Das Maultier und sie haben sich am Vortag verpasst oder vielmehr hatte der Besitzer einmal mehr Angst um sein Tier im Schnee und ist umgekehrt bevor sie sich getroffen haben. Sie hat es mit Glück bis zu einer Siedlung von Einheimischen geschafft, wo sie untergekommen ist und verpflegt wurde. Erstaunlicherweise ist sie gut gelaunt und nicht unterzukriegen. Aber heute hofft sie das Maultier zu treffen.

Wir rasten, baden wieder unsere heißen Füsse und holen Malhotra nach einiger Zeit wieder ein. Nun reitet sie auf dem Maultier - unsere Königin des tapferen Herzens!

In Gangotri treffen wir die beiden Männer, wie sie Malhotra erleichtert umarmen. Wir wissen nicht, wer mehr gelitten hat, die Dame mit ihrer abenteuerlichen Pilgerwanderung oder die Männer, die tagelang nichts von ihr gehört haben und denen ihre Sorge deutlich ins Gesicht geschrieben steht.

Bye-bye Indien

Die Unruhen der letzten Monate in Nepal haben sich erstmal gelegt, der König hat das Parlament wieder eingesetzt und die Maoisten haben einen dreimonatigen Waffenstillstand zugesagt. Die Ausgangsbedingungen, um dort einzureisen scheinen uns günstig. Nach über vier Monaten in Indien freuen wir uns jetzt wieder auf ein neues Land.

Aber kurz nach Uttarkashi bricht die Halterung aus einem von Renis Alukoffern und so sind wir gezwungen in Rishikesh einen Tag zur Reparatur einzulegen. Bei der Gelegenheit lassen wir gleich alle Koffer verstärken.

Die Einreise nach Nepal über dessen westlichste Grenze Banbassa / Mahendranagar verläuft problemlos innerhalb von zwei Stunden.


























Der Grenzübergang nach Nepal

(15.05.06, RM, TM)

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